Durch unsere Erfahrungen mit Ärzten und Heilberuflern, haben wir in der Vergangenheit in diesem Bereich Spezialwissen erlangen können.
Egal, in welcher Praxisform Sie tätig sind – Einzelpraxis, Praxisgemeinschaft oder Gemeinschaftspraxis (BAG) – wir helfen Ihnen bei der Lösung Ihrer betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Fragestellungen.
Im Folgenden finden Sie Informationen, die speziell für Ihre Berufsgruppe zusammen gestellt sind. Näheres über unser umfängliches Leistungsspektrum - insbesondere über unsere grafischen Analysemethoden - erfahren Sie hier
Atteste von Heilpraktikern oder Zahnärzten sind nicht ausreichend mehr...
Atteste sind wichtige Zeugnisse zum Beleg einer Erkrankung. Mit einem entsprechenden Attest lässt sich sogar die COVID-19-bedingte, in bestimmten Konstellationen (u.a. in geschlossenen Räumen, Geschäften, Restaurants, Schulen/Einrichtungen) vorherrschende Maskenpflicht umgehen. Doch wer darf diese Atteste ausstellen? Mit dieser Frage musste sich kürzlich das Verwaltungsgericht Potsdam (VG) befassen.
Im Urteilsfall wehrte sich ein Schüler aus Brandenburg gegen die Pflicht, in seiner Schule einen Mund-Nasen-Schutz (MNS) tragen zu müssen. Er legte dazu zwei von einem Heilpraktiker (einem Zahnarzt im Ruhestand) ausgestellte Atteste vor. Da die Schule diese nicht anerkennen wollte, beantragte der Schüler, dass das VG einstweilig feststellen solle, dass die Atteste ausreichend seien, um ihn von der Maskenpflicht zu befreien. Das zweite Attest des Heilpraktikers diagnostizierte eine Angst- und Panikerkrankung, ein Schlafapnoesyndrom, eine Dyspnoe und eine Mundatmung.
Das VG sah diese Atteste aber als nicht ausreichend an, wies den Antrag des Schülers zurück und begründete dies wie folgt: Ein Heilpraktiker könne keine ärztlichen Atteste ausstellen, weil dieser eine andere Ausbildung hätte. Zudem könne ein Zahnarzt keine psychiatrischen Symptome (wie z.B. Angststörungen) feststellen, weil dies nicht in seinen Fachbereich falle. Er dürfe somit nur zahnärztliche Diagnosen stellen. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, warum eine Schlafapnoe den Träger einer Maske beim Atmen hindern sollte.
Es sei hinreichend substantiiert darzulegen, aus welchen gesundheitlichen Gründen in der konkret relevanten Tragesituation keine Maske getragen werden könne. Dazu müsse das Attest zumindest erkennen lassen, welche Beeinträchtigung bei der Schülerin oder dem Schüler festgestellt worden sei und inwiefern sich deswegen das Tragen eines MNS nachteilig auswirke. Zudem müsse die festgestellte Erkrankung/gesundheitliche Einschränkung in das Fachgebiet des Arztes passen (ein Orthopäde könne keine Zahnschäden feststellen und ein Internist keine psychiatrischen Erkrankungen).
Hinweis: Gefälligkeitsatteste sind strafbar und können den ausstellenden Arzt Kopf und Kragen kosten.
VG Potsdam, Urt. v. 23.09.2020 – 6 L 824/20
Leistung des Arztes ist nach Kündigung des Behandlungsvertrags seinerseits für Patient wertlos mehr...
Kann ein Arzt seinen Honoraranspruch verlieren, wenn er den laufenden Behandlungsvertrag nach einer Operation kündigt, weil der Patient mit dem Ergebnis der Operation unzufrieden ist? Das musste das Amtsgericht München (AG) entscheiden.
Der Patient im Urteilsfall litt am Grauen Star. Er vereinbarte mit seinem Augenarzt zwei Operationen. Ziel der Operationen war nach Möglichkeit eine komplette Brillenfreiheit und Nahsicht. Zuerst operierte der Arzt das rechte Auge. Das Resultat war statt der vereinbarten Nah- jedoch eine Fernsicht. Der Patient war mit dem Ergebnis unzufrieden und fragte den Arzt mehrfach, wie der Eingriff am anderen Auge ablaufen solle. Daraufhin kündigte der Arzt den Behandlungsvertrag und verlangte die Zahlung der Kosten der ersten Operation in Höhe von rund 2.600 €.
Das AG wies die Zahlungsklage des Arztes als unbegründet ab, weil die Operation am rechten Auge des Patienten für diesen „wertlos“ sei. Der Arzt schulde zwar keinen Erfolg, sondern eine Dienstleistung. Wenn aber der Arzt den Vertrag kündigt, ohne durch vertragswidriges Verhalten des Patienten dazu veranlasst worden zu sein, kann er somit auch keine Vergütung verlangen, soweit der Patient kein Interesse mehr an der Leistung hat.
Bereits die angestrebte Zielkorrektur am rechten Auge sei nicht korrekt erfolgt. Die gewünschte Nahsicht könne also auch nicht mit der weiteren Operation am linken Auge erreicht werden. Das würde zu unterschiedlichen Werten rechts und links und zu Kopfschmerzen führen. Der Arzt konnte sich auch nicht darauf berufen, dass die Beseitigung des Grauen Stars ein selbständig verwertbarer Erfolg war, denn die Beseitigung der Trübung war hier untrennbar mit der verfehlten Nahsicht verbunden. Laut Gericht standen dem Patienten zudem auch Schadenersatzansprüche zu, die ebenfalls dem Vergütungsanspruch des Arztes entgegenstanden.
Hinweis: In der Gestaltung der Behandlung ist ein Arzt relativ frei. Werden aber Ziele vereinbart, wie hier eine Nahsicht, und erreicht der Arzt diese nicht, behält er gleichwohl seinen Honoraranspruch. Nur wenn ausnahmsweise die Leistung des Arztes nach einer Kündigung des Behandlungsvertrags für den Patienten wertlos geworden ist, verliert der Arzt sein Honorar. Wertlos wird die Behandlung zum Beispiel dann, wenn der Patient die Behandlung noch einmal durchführen lassen muss.
AG München, Urt. v. 02.03.2020 – 159 C 22718/18
Patienten haben ein Recht auf Kopie der Krankenakte als PDF mehr...
Möchte der Patient wissen, was bei seiner Behandlung geschehen ist und ob er zum Beispiel falsch behandelt worden ist, benötigt er entsprechende Informationen. Diese kann er nur der Behandlungsakte entnehmen. Die Einsicht in die Behandlungsakte kostet Geld, nämlich Kopierkosten und Versandkosten. Das Landgericht Dresden (LG) zeigt nun einen einfacheren, kostengünstigeren und schnelleren Weg für Klinik und Patient auf: Die Klinik muss dem Patienten, der dies fordert, auch eine kostenlose Kopie als PDF der Behandlungsakte übersenden.
Für eine Übersendung der Unterlagen als PDF-Kopie biete § 15 Absatz 3 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) die Rechtsgrundlage. Was diese Vorschrift genau besagt, ist bisher nicht im Einzelnen höchstrichterlich geklärt, da die DSGVO noch relativ neu ist. Ob diese Rechtsprechung des LG Bestand haben wird, bleibt also noch abzuwarten.
Kliniken und Klinikärzte sowie niedergelassene Ärzte sollten diese Rechtsprechung jedoch vorerst beachten und Patienten auf deren ausdrücklichen Wunsch hin auch die Behandlungsakte als PDF übersenden. Der Patient muss dazu lediglich (z.B. per E-Mail) eine Kopie seiner vollständigen Behandlungsakte als PDF anfordern.
Da heutzutage viele Behandlungsakten bereits (ganz oder teilweise) elektronisch geführt werden, kann man dem Arzt oder der Klinik den nur noch relativ kurzen Zeitraum für die Erledigung des Auskunftsersuchens auch zumuten. Eine Frist von zehn Tagen sei - außer bei älteren Behandlungsfällen - demnach ausreichend, um die PDF-Kopie zu erstellen, zu verschlüsseln und per E-Mail zu versenden.
Hinweis: Aus Datenschutzgründen empfiehlt es sich allerdings, das PDF vor dem Versand per E-Mail zu verschlüsseln und dem Patienten das entsprechende Passwort zum Beispiel per Telefon mitzuteilen.
LG Dresden, Urt. v. 29.05.2020 – 6 O 76/20
Hier finden Sie Erklärvideos zu Steuerfragen, die praktisch in jeder Arztpraxis auftauchen. Die Videos zeigen Ihnen kurz und verständlich, wie Sie Steueroptimierungen nutzen und Fallen vermeiden.
Umfassende Informationen und Empfehlungen zu Steuerthemen für Ärzte finden Sie in unseren Merkblättern. Sie können sich die Merkblätter direkt am Bildschirm ansehen oder sie ausdrucken.
Wir verfügen über viele Jahre Erfahrung bei der Beratung von Ärzten in steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen.
Daher konnten wir neben unserer persönlichen Beratungsleistungen weitere Dienstleistungen entwickeln, die Ihnen auf dieser Seite angeboten werden.
So erhalten Sie hier aktuelle News, Videos und umfassende Merkblätter, die ihnen einen Überblick über Themen geben, zu denen wir Sie gerne auch persönlich beraten.
Sprechen Sie uns an, wenn Sie weitergehende Fragen haben.
Die Rahmenbedingungen für das Gesundheitswesen ändern sich ständig. Im Wettbewerb der Gesundheitsmärkte reicht daher das medizinische Fachwissen allein nicht mehr aus, um langfristig den optimalen Praxiserfolg zu erzielen.
Der Arzt muss sich immer mehr den rechtlichen, steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Heraus-forderungen stellen und wie ein Unternehmer handeln. Letzteres führt dazu, dass sich auch Ärzte mit Begriffen wie Marketing, Konkurrenzanalyse und Praxiscontrolling auseinander setzen müssen.
• Gerne helfen wir Ihnen mit unserem Fachwissen bei der Umsetzung Ihrer Ziele •
Die Erfahrungen aus der bisherigen Beratung von Ärzten hat zu der Inhouse Entwicklung des Tools „Praxiscontrolling“ geführt. Unser Tool wird wegen der vielfältigen Auswertungsmöglichkeiten auch durch die
Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein
im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Beratung von Ärzten eingesetzt. Der Einsatz unseres Tools ermöglicht eine zeit- und kostenoptimale Beratung.
Mandanten, die das Tool selber nutzen, können über einen Zeitraum von vier Jahren jeden Geschäftsvorfall von der Praxis BWA ausgehend bis zur Konten- und Geschäftsvorfallebene nachvollziehen.
Damit wird jederzeit zugänglich, wie sich die Praxis wirtschaftlich entwickelt hat, wo Geldmittel her kamen und wofür sie verwendet wurden.
Nachfolgend können Sie eine vierwöchige Testversion des Controlling Tools ausprobieren: Download Praxis Controlling 9.7. Testversion
Hier ein kurzer Überblick über die Möglichkeiten des Tools: Download Kurzfilm => Das Tool "Praxis Controlling"
Der wesentliche Vorteil unseres Tools liegt darin, dass wir neben vielen Basisanalysen auch maßgeschneiderte Auswertungen für Ihre Praxis erstellen können.
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Unser Dienstleistungspektrum beinhaltet steuer- und betriebswirtschaftliche Beratung durch dafür qualifizierte Mitarbeiter.
Im Bereich der klassischen Steuerberatung bieten wir an:
Unsere Dienstleistungen im Bereich der betriebwirtschaftlichen Beratung:
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Welche Voraussetzungen für die Verschreibung gelten mehr...
Häufiger streiten sich Patienten mit ihren Krankenkassen über die Kostenübernahme der Behandlung mit medizinischem Cannabis. In welchen Fällen die Kasse die Kosten übernehmen muss und wie der Arzt den Einsatz des Medikaments begründen sollte, zeigt folgendes Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG).
Die 1974 geborene Patientin bezog eine Erwerbsminderungsrente. Sie litt an einem stark ausgeprägten Restless-Legs-Syndrom mit massiven Schlafstörungen, einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einer Migräne, einer rezidivierenden depressiven Störung, einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung (Borderline) und einem Tinnitus.
Ihre behandelnde Fachärztin für Neurologie hatte sie bereits mit verschiedenen Arzneimitteln und nichtmedikamentösen Behandlungen versorgt, ohne bei massiven Nebenwirkungen einen ausreichenden Behandlungserfolg zu erwirken. Laut Arztbrief der Neurologin hielt diese in einem nächsten Schritt „als Ultima Ratio in diesem schweren Fall (…) einen Therapieversuch mit Cannabis in Form von Dronabinoltropfen für indiziert“. Davon erhoffe sie sich eine Verbesserung der Krankheitssymptome und sehe keine andere Alternative.
Zum Beleg einer möglichen positiven Einwirkung der Dronabinoltropfen auf den Krankheitsverlauf zitierte die Ärztin mehrere Studien zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms mit Medizinalcannabis. Die Krankenkasse der Patientin lehnte eine Versorgung mit Dronabinol jedoch ab, ebenso das Sozialgericht Neuruppin.
Das LSG verpflichtete die Krankenversicherung der Patientin jedoch, die Kosten der Behandlung mit Dronabinol vorläufig - bis zur Klärung des Hauptsacheverfahrens - zu übernehmen. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Versorgung mit Dronabinol lägen vor. Das LSG sah den Arztbrief und den Befundbericht der Ärztin als schlüssig, geordnet, mit Nachdruck und in der Sache überzeugend an. Darin habe sie ausgeführt, dass sämtliche medikamentöse Möglichkeiten angewandt worden seien, ohne bei massiven Nebenwirkungen einen ausreichenden Behandlungserfolg zu erwirken. Aus Sicht der Ärztin sei bei gleichbleibendem Leiden die (nicht)medikamentöse Therapie ausgeschöpft, die Antragstellerin sei diesbezüglich „austherapiert“.
Hinweis: Für den Patienten ist es sinnvoll, bereits vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Leistungsanfrage bei seiner Krankenversicherung einzureichen und einen umfassenden Arztbrief bzw. Befundbericht beizufügen.
LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.08.2020 – L 9 KR 223/20 B ER
Darf mit „doppelter“ Geld-zurück-Garantie geworben werden? mehr...
Das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) musste entscheiden, ob eine Werbung, wonach der Käufer bei Unzufriedenheit mit der beworbenen Slipeinlage den Kaufpreis (doppelt) zurückerhält, zulässig war oder nicht.
Im Urteilsfall versprach die Slipeinlage des beklagten Herstellers in der Werbung auch eine Symptomlinderung (z.B. Vermeidung einer Dauerbefeuchtung der Haut). Dadurch sei der Eindruck vermittelt worden, ein Heilungserfolg könne mit der Einlage sicher erwartet werden. Medizinprodukten einen sicheren Heilungserfolg zuzuschreiben, ist aber - so das OLG - nach § 3 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verboten.
Dem Hersteller der Slipeinlagen sei hier möglicherweise nicht bewusst gewesen, dass sein Produkt ein symptomlinderndes Medizinprodukt (Inkontinenzeinlage/Windel) war. Die hier beanstandete Werbeaussage „Zufrieden? Sonst 2 x Geld zurück!“ und somit die Auslobung der Rückzahlung des doppelten Kaufpreises bei Unzufriedenheit mit dem Produkt vermittle den Eindruck, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden könne. Davon müsse der Verbraucher vorliegend vor allem deshalb ausgehen, weil ihm hier nicht allein die Rückerstattung, sondern sogar die Zahlung des doppelten Kaufpreises in Aussicht gestellt werde. Er bringe ein solches Rückerstattungsversprechen somit fälschlicherweise mit einem besonders guten und im Hinblick auf den zu erreichenden Erfolg sicheren Angebot in Zusammenhang, weil andernfalls kein vernünftig denkender Kaufmann das Risiko einer Kostenerstattung gegenüber der Allgemeinheit einginge. Die Werbung war somit aus den oben genannten Gründen verboten und umgehend zu unterlassen.
Hinweis: Medizinprodukte unterfallen den strengen Regeln des HWG. Alle Werbeaussagen über Medizinprodukte sollten daher vor jeder Veröffentlichung sicherheitshalber juristisch geprüft werden.
OLG Hamburg, Urt. v. 30.07.2020 – 3 W 53/20
Arzt darf Werbeflyer mit Rabattangeboten auslegen mehr...
Ob die Werbung eines Herstellers von elektrischen Zahnbürsten in einer Zahnarztpraxis mit einem sogenannten Werbeflyer erlaubt ist, musste im Urteilsfall das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) entscheiden.
Ein Hersteller elektrischer Zahnbürsten wollte einem direkten Mitbewerber die Werbung mittels Werbeflyern in Zahnarztpraxen verbieten. Diese verstoße gegen zahnärztliche Berufspflichten und heilmittelwerberechtliche Verbote. Der Konkurrent hatte einen Werbeflyer an Zahnarztpraxen verteilt. Darin wurden den Patienten beim Kauf von elektrischen Zahnbürsten der Marke X ein Rabatt auf die Zahnbürste und die Erstattung der Kosten einer Professionellen Zahnreinigung (PZR) angeboten.
Das OLG wies die Beschwerde des Zahnbürstenherstellers gegen den Beschluss der Vorinstanz (Landgericht Hamburg) zurück. Die Werbung sei nicht berufsrechtswidrig. Der jeweilige Zahnarzt werde nicht aufgefordert, die beworbenen Zahnbürsten ausdrücklich zu empfehlen, und könne die PZR-Behandlung des Gutscheinerwerbers ablehnen - aus welchen Gründen auch immer. Die Werbung für Zahnbürsten sei auch nicht „krankheitsbezogen“ im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Auch stelle der Rabatt für eine PZR usw. keine unerlaubte Werbeabgabe im Sinne des § 7 Absatz 1 Nr. 2 lit. a HWG dar, weil der Zahnarzt bei der entsprechenden Durchführung nicht mehr Entgelt erhalte als üblicherweise.
Hinweis: Diese Entscheidung belegt, dass ein (Zahn-)Arzt unter bestimmten Umständen mit Rabatten werben und gesundheitsbezogene Produkte (hier: elektrische Zahnbürsten) bewerben darf. Allerdings sollte der Arzt unbedingt vor Beginn einer Werbemaßnahme rechtlich überprüfen lassen, ob die geplante Werbung im Einzelfall auch zulässig ist, um kostspielige Abmahnungen zu vermeiden.
OLG Hamburg, Beschl. v. 14.04.2020 – 3 W 17/20
BSG stärkt Honorarverteilungsgerechtigkeit für Ärzte mehr...
Ob Ärzte mit halbem Versorgungsauftrag in einer Berufsausübungsgemeinschaft über die zugewiesene anteilige durchschnittliche Fallzahl hinaus Patienten gewinnen dürfen, musste das Bundessozialgericht (BSG) im folgenden Fall abschließend entscheiden. Denn im Vergleich zu Kollegen mit vollem Versorgungsauftrag, die dies bis zu 150 % der durchschnittlichen Fallzahl tun können, hat die Honorarverteilung das Honorar angestellter Ärzte mit halbem Versorgungsauftrag bislang erheblich gedeckelt.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) wies den Ärzten mit einem halben Versorgungsauftrag (Zulassung) in einer orthopädischen Gemeinschaftspraxis ein Gesamtvolumen höchstens bis zum anteiligen durchschnittlichen Umsatz der jeweiligen Arztgruppe im Vorjahresquartal zu. Vergütungsanteile oberhalb dieser Vergütungsobergrenze wurden lediglich mit abgestaffelten Preisen (Abstaffelungsfaktor 0,1) vergütet. Dagegen nahm die KV bei Ärzten mit voller Zulassung eine Minderung der Fallwerte erst für jeden über 150 % der durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppen hinausgehenden Fall vor.
Die betroffenen Ärzte mit halber Zulassung sahen sich hier ungleich behandelt und klagten gegen die aus ihrer Sicht zu niedrige Honorarfestsetzung. Sozialgericht und Landessozialgericht folgten der Klage und verpflichteten die KV, die Ärzte neu zu bescheiden. Die KV ging in Revision - scheiterte jedoch letztinstanzlich vor dem BSG.
Auch laut BSG ist es mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht zu vereinbaren, die Leistungen der in Teilzeit tätigen Ärzte - anders als die Leistungen der in Vollzeit tätigen Ärzte ihrer Fachgruppe - nur bis zu einer Obergrenze voll und alle darüber hinausgehenden Leistungen lediglich abgestaffelt zu vergüten. Die Differenzierung wirke sich vor allem bei Ärzten aus, deren Fallzahl im maßgeblichen Vorjahresquartal deutlich überdurchschnittlich war.
Hinweis: Ärzte mit halber Zulassung sollten also immer prüfen, ob die ihnen ausgezahlten Honorare wie im vorliegenden Fall abgestaffelt und gedeckelt wurden. Denn auf Grundlage der Rechtsprechung des BSG ist dies grundsätzlich unzulässig. Es ist dabei zu beachten, dass die Widerspruchsfrist gegen Honorarbescheide von einem Monat zwingend eingehalten werden muss.
BSG, Urt. v. 15.07.2020 – B 6 KA 12/19 R
Kurklinik darf von Patientin keinen Ersatz verlangen mehr...
Ob eine Schadenersatzklausel in einem Behandlungsvertrag zwischen einer Patientin und einer Kurklinik wirksam sein kann, die bei Abbruch der Kur eine Schadenersatzpflicht der Patientin vorsieht, hatte letztinstanzlich der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden.
Die Planung in einer Kurklinik verlangt Verlässlichkeit. Eine Klinik hat also ein erhebliches Interesse daran, dass Patienten die vereinbarte Kur auch durchführen. Denn bei vorzeitiger Beendigung einer Behandlung kann die Kurklinik die freiwerdenden Behandlungskapazitäten möglicherweise nicht neu besetzen, muss aber laufende Kosten weiterzahlen.
Eine Kurklinik in Brandenburg nahm deshalb eine Schadenersatzklausel in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Behandlungsvertrags für Patientinnen in einer Mutter-Kind-Kur auf, die besagt, dass die Patientin für den Schaden aufkommen muss, wenn sie ohne medizinisch nachgewiesene Notwendigkeit die Abreise vor Beendigung der Maßnahme antritt. Im Urteilsfall unterzeichnete eine Mutter von vier Kindern den Behandlungsvertrag und trat am 28.02.2018 mit ihren Kindern die Kur an, die bis zum 21.03.2018 dauern sollte. Zehn Tage vor dem geplanten Ende der Kur verließ die Mutter jedoch die Klinik. Diese verklagte sie daraufhin auf Schadenersatz in Höhe von rund 3.000 €.
Klage sowie Berufung der Klinik blieben ohne Erfolg. Die Klinik legte schließlich Revision vor dem BGH ein. Dieser wies die Revision jedoch als unbegründet zurück. Der Kur-Vertrag sei seinem inhaltlichen Schwerpunkt nach ein Behandlungsvertrag. Behandlungsverträge seien besondere Dienstverhältnisse. Solche Dienste höherer Art könne der Patient jederzeit frei kündigen. Kündige der Patient, habe die Klinik lediglich Anspruch auf eine Vergütung der bis zum Abbruch erbrachten Leistungen.
Hinweis: Diese Grundsätze des Dienstvertragsrechts wollte die Schadenersatzklausel der Kurklinik aufhebeln. Das ist den Bundesrichtern zufolge unwirksam. Es verstoße gegen wesentliche Grundgedanken des Dienstvertragsrechts. Patienten seien frei darin, eine Behandlung jederzeit auch ohne Gründe zu beenden. Für Kur- und Rehabilitationskliniken bleibt also nur der Weg, unerwartet frei gewordene Behandlungsplätze schnellstmöglich neu zu vergeben.
BGH, Urt. v. 08.10.2020 – III ZR 80/20
Zu teurer Lasereinsatz muss nicht vom Versicherer bezahlt werden mehr...
Kommt bei bestimmten Augenoperationen ein spezieller Laser zum Einsatz, muss ein privater Krankenversicherer unter Umständen nicht für die höheren Kosten aufkommen, die Operateure dafür verlangen. Dies hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) entschieden.
Bei Kataraktoperationen (Behandlungen des Grauen Stars) berechnen Operateure häufig deutlich mehr als für eine Operation allein mit Skalpell, wenn sie zusätzlich einen sogenannten Femtosekundenlaser einsetzen. Sie machen dann Beträge geltend, die sie bei einer „intraoperativen Strahlenbehandlung mit Elektronen“ verlangen könnten.
Im aktuellen Urteilsfall wollte der inzwischen 76-jährige Kläger von seinem privaten Krankenversicherer die gesamten Kosten für seine Augenoperation ersetzt haben. Er litt am Grauen Star und hatte sich in Köln einer Operation unterzogen, bei der außer dem Skalpell auch ein Femtosekundenlaser zum Einsatz kam. Um den Lasereinsatz abzugelten, hatte der Arzt die Operation ohne Materialkosten mehr als doppelt so hoch in Rechnung gestellt wie es bei einer Operation allein mittels Skalpell der Fall gewesen wäre.
Der Versicherer musste diese Kosten nicht tragen. Eine solche Operation dürfe nur wie jene mittels Skalpell und mit dem in der Gebührenordnung vorgesehenen geringen Zuschlag für einen Lasereinsatz abgerechnet werden. Insgesamt konnte der Arzt deshalb nach der Gebührenordnung für die Operationsleistung nur rund 1.860 € abrechnen. In der maßgeblichen Fassung ist diese Gebührenordnung 1996 in Kraft getreten. Damals war der Einsatz eines Lasers undenkbar - diese Operationstechnik ist erst seit 2016 üblich. Wie ein Sachverständiger dem Gericht erklärte, diene der Einsatz des Lasers nur dazu, die bewährte und gebührenrechtlich erfasste Operationstechnik zu optimieren. Er sei aber keine selbständige ärztliche Leistung.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.08.2020 – 4 U 162/18
Eine Rufbereitschaft, bei der jeden zweiten Dienst Arbeit anfällt, ist tarifwidrig mehr...
Gilt ein Dienst als Rufbereitschaft oder als Bereitschaftsdienst im Sinne des Tarifvertrags? Mit dieser interessanten Frage musste sich das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) im folgenden Fall beschäftigen.
Der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte/TdL) unterscheidet zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft. Beim Bereitschaftsdienst bestimmt der Arbeitgeber, wo sich der Arbeitnehmer aufzuhalten hat, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Bei der Rufbereitschaft kann sich der Arzt an einem selbstgewählten Ort aufhalten. Er muss dem Arbeitgeber aber mitteilen, wo er sich befindet, und auf Abruf die Arbeit aufnehmen können. Je nachdem, welcher Dienst geleistet wird, ist die Vergütung zu bemessen.
Der Oberarzt an einer Universitätsklinik (Nephrologie) verlangte vom Arbeitgeber die Anerkennung seiner abgeleisteten nephrologischen Rufbereitschaftsdienste in der Medizinischen Klinik I als Arbeitszeit. Der geleistete Dienst sei in Wahrheit ein Bereitschaftsdienst im Sinne des TV-Ärzte/TdL gewesen. Ihm stehe daher die Differenz zwischen der gezahlten Vergütung und der für den Bereitschaftsdienst vorgesehenen Vergütung in Höhe von über 40.000 € zu.
Das LAG gab dem Kläger zwar weitestgehend Recht, folgte dabei jedoch nicht der Argumentation des Klägers. Die tarifwidrige Anordnung der Rufbereitschaft durch den Arbeitgeber bedeute nicht, dass es sich automatisch um einen Bereitschaftsdienst im Sinne des Tarifvertrags handle. Daher müsse § 612 I Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) angewandt werden, der sich mit der Vergütung von Dienstleistungen allgemein befasst. Die tarifwidrigen Rufbereitschaften seien insgesamt als ungeregelte Bereitschaftsform zu deuten und damit als Tätigkeit außerhalb der arbeitsvertraglichen Regelungen. Diese Tätigkeit sei auch entsprechend zu vergüten. In diesem Fall seien die nephrologischen Dienste in der Uniklinik tarifwidrig, da sie nicht die Voraussetzungen für die Rufbereitschaft erfüllten. Dazu dürfte nämlich nur in Ausnahmefällen Arbeit anfallen. Tatsächlich fielen diese aber bei jedem zweiten Dienst an - zu oft für eine Ausnahme.
Hinweis: Wichtig ist hier die Abgrenzung zwischen den im Tarifvertrag genannten Varianten Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Laut Gericht entsprechen nicht alle tatsächlich geleisteten Dienste einer dieser beiden Definitionen. In diesen Fällen kommt § 612 BGB ins Spiel, der Vergütungsregelungen aus dem Tarifvertrag ersetzen kann - diese Norm sollten Personalräte also unbedingt im Hinterkopf behalten.
LAG Köln, Urt. v. 04.03.2020 – 3 Sa 218/19
MVZ-Gründung durch Apotheker mithilfe eines „Strohmanns“ ist Betrug mehr...
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verurteilung eines Apothekers und zweier Ärzte aus Hamburg wegen Abrechnungsbetrugs weitgehend bestätigt. Das Landgericht Hamburg (LG) hatte es demnach zu Recht als Betrug gewertet, dass sich der Apotheker mithilfe eines Strohmannes an einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) beteiligen und somit Einfluss auf das Verordnungsverhalten der Ärzte nehmen wollte.
Im Streitfall kaufte der Apotheker nach den Feststellungen des Landgerichtes ein MVZ, um Einfluss auf die dort tätigen Ärzte beim Verschreiben von Medikamenten nehmen zu können. Der Apotheker habe sich neue Absatzquellen für von ihm hergestellte hochpreisige Medikamente versprochen. Nach den sozialrechtlichen Bestimmungen ist die Beteiligung eines Apothekers an einem MVZ seit 2012 jedoch gesetzlich verboten. Um das MVZ dennoch kaufen zu können, habe sich der Apotheker des mitangeklagten Strohmannes - einem Arzt - bedient, der die Mehrheitsanteile an der Einrichtung erworben habe.
Weil aufgrund der Beteiligung des Apothekers die kassenärztliche Zulassung des MVZ nicht mehr vorlag, wurden zu Unrecht knapp 1,5 Mio. € an das MVZ gezahlt. Die Techniker Krankenkasse zahlte an den Apotheker zudem rund 150.000 € für fehlerhafte Verordnungen. Das LG hatte den Apotheker wegen Abrechnungsbetruges zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Die beteiligten Ärzte bekamen Bewährungsstrafen von zehn sowie sechs Monaten.
Der BGH urteilte, dass das LG die Strohmann-Konstruktion zu Recht als Betrug gewertet habe. Über die Höhe der Schuldsprüche müsse das LG aber aufgrund von Rechtsfehlern neu entscheiden. Auch die vom LG angeordnete Einziehung von rund 1,5 Mio. € (Erträge aus den Betrugstaten) müsse dabei neu berechnet werden.
BGH, Urt. v. 19.08.2020 – 5 StR 558/19
Arzt mit halbem Sitz muss sich an sein Stundenlimit halten mehr...
Da immer mehr Ärzte auf einer halben Zulassung arbeiten, stellt sich die Frage, wie viele Patienten man hiermit behandeln darf. Eine aktuelle Entscheidung des Sozialgerichts Marburg (SG) nimmt im Folgenden auf diese Frage Bezug.
Der Orthopäde einer Gemeinschaftspraxis verzichtete 2012 auf die Hälfte seiner Zulassung. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) fand es auffällig, dass der Arzt danach dennoch Leistungen abrechnete, die in der Summe gemäß der geltenden Prüfzeiten an mehreren Tagen mit bis zu 20 Stunden am Tag veranschlagt wurden und dass er damit sogar deutlich über 780 Stunden im Quartal abrechnete. Die KV kürzte das Honorar des Arztes daraufhin erheblich. Dagegen wehrte sich der Arzt.
Das SG wies die Klage als unbegründet zurück und führte dazu aus:
Bei einem halben Versorgungsauftrag sei der Grenzwert bei einer Tagesarbeitszeit von mehr als sechs Stunden und einer Quartalsarbeitszeit von mehr als 390 Stunden überschritten. Dass Kollegen des überdurchschnittlich abrechnenden Orthopäden in der Berufsausübungsgemeinschaft unterdurchschnittlich abrechneten, berechtige den Orthopäden nicht dazu, über seinen hälftigen Versorgungsauftrag hinausgehende Leistungen abzurechnen. Hohe Patientenzahlen, besondere Sprechstundenzeiten bzw. Praxisöffnungszeiten oder besondere Strukturen der Praxis (hier z.B. acht Behandlungsräume zur gleichzeitigen Behandlung mehrerer Akupunkturpatienten) könnten die Überschreitung des Tagesprofils nicht rechtfertigen. Körperakupunkturleistungen seien bei der Prüfung der Zeiten im Tagesprofil mit zehn Minuten (bei einer Kalkulationszeit von 13 Minuten) zu berücksichtigen. Schneller könne auch ein erfahrener Arzt diese Leistung nicht erbringen. Die Ende 2019 erfolgte Verringerung der Prüfzeiten wirke nicht auf frühere Zeiträume (hier ab 2012).
Hinweis: Egal ob Sie als Arzt nun mit einer halben oder mit einer ganzen Zulassung tätig sind, halten Sie Ihre Prüfzeiten mittels der Praxissoftware oder sonstigen Hilfsmitteln im Blick - sonst drohen Honorarkürzungen. Der niedergelassene Arzt kann seine KV-Einnahmen nicht über die Menge der Behandlungen steuern, auch dann nicht, wenn er viele Leistungen delegiert und - wie hier - quasi „am Fließband“ erbringt.
SG Marburg, Bescheid v. 21.08.2020 – S 12 KA 1/18
Ist Werbung hierfür erlaubt? mehr...
Im folgenden Urteilsfall musste letztinstanzlich das Oberlandesgericht München (OLG) entscheiden, ob eine reine Werbung für (Fern-)Behandlungen erlaubt oder verboten ist. Dabei war hier allerdings nicht von Belang, ob die eigentliche (Fern-)Behandlung erlaubt oder verboten war, sondern lediglich, ob diese beworben werden durfte.
Die Beklagte warb über ihren Internetauftritt für ärztliche Fernbehandlungen in Form eines sogenannten digitalen Arztbesuchs. Dabei wurde in Deutschland lebenden Patienten mittels einer App angeboten, über ihr Smartphone per Videoverbindung von in der Schweiz ansässigen Ärzten Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen zu erlangen. Ein Verbraucherschutzverein klagte daraufhin auf Unterlassung, weil diese Werbung gegen § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstoße. Grundsätzlich sei bei jeder Behandlung ein persönlicher Kontakt zum Arzt geboten.
Diese Werbung der Beklagten für eine ärztliche Onlinekonsultation unterfällt auch nach Ansicht des OLG dem abstrakten Gefährdungstatbestand des § 9 HWG und ist daher per se unzulässig - und zwar unabhängig davon, ob das beworbene Behandlungsmodell als solches zulässig ist oder nicht. Das Werbeverbot ziele auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit und des individuellen Gesundheitsinteresses, da partielle Informationen kein ganzheitliches Bild erzeugen könnten, das der Heilkundige nur bei einer persönlichen Wahrnehmung und Untersuchung des Patienten gewinnen könne.
Hinweis: Eine Fernbehandlung ist aber nicht per se verboten. Die Werbung dafür ist allerdings verboten, wenn nicht ausnahmsweise ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt nicht mehr erforderlich ist. Das kann der Fall sein, wenn ein persönlicher Behandlungskontakt zwischen Arzt und Patient bereits stattgefunden hat und der Arzt dem Patienten später per Videoschalte beispielsweise ein Folgerezept ausstellt.
OLG München, Urt. v. 09.07.2020 – 6 U 5180/19
Pflicht zum Bereitschaftsdienst bleibt bestehen mehr...
Ob sich Ärzte der Anordnung zum Bereitschaftsdienst verweigern können, weil ihnen die vorgefundene Ausstattung als unzureichend erscheint, musste nachfolgend das Sozialgericht Marburg (SG) entscheiden.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zog eine Augenärztin, die in X eine gut ausgestattete Praxis führte, zum ärztlichen Bereitschaftsdienst in der Bereitschaftsdienstzentrale in Y heran. Die angeordnete sofortige Vollziehung verweigerte die Ärztin allerdings und klagte - mit der Begründung, dass Y zu schlecht ausgestattet sei.
Das SG erörterte, dass es sich bei der Sicherstellung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes grundsätzlich um eine gemeinsame Aufgabe der Vertragsärzte handle. Diese könne nur erfüllt werden, wenn alle zugelassenen Ärzte unabhängig von ihrer Fachgruppenzugehörigkeit ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen gleichermaßen herangezogen werden würden. Es müsse demnach eine Unzumutbarkeit vorliegen, um dem Antrag der Ärztin stattgeben zu können. Jedoch sei es nicht unzumutbar, in einer anderen Stadt in schlechter ausgestatteten Praxisräumen Bereitschaftsdienst abzuleisten.
In diesem Zusammenhang stellte das SG noch einmal in aller Deutlichkeit klar, dass von dem Vertragsarzt im Bereitschaftsdienst keine optimale oder umfassende ärztliche Versorgung erwartet und verlangt werde. Er solle sich vielmehr auf qualifizierte Maßnahmen zur Überbrückung der sprechstundenfreien Zeit beschränken, die reguläre Weiterversorgung den behandelnden Ärzten überlassen und gegebenenfalls die Einweisung zur stationären Versorgung veranlassen. Diese Aufgabe ist nach der Überzeugung des Gerichts auch mit der möglicherweise minderwertigen Ausstattung in der Bereitschaftsdienstzentrale zu erfüllen.
Hinweis: Die Versorgung durch den Bereitschaftsdienst der KV ist ein Ersatzdienst und muss nicht auf eine optimale oder umfassende Versorgung gerichtet sein. Der Vertragsarzt im Bereitschaftsdienst muss also in der Bereitschaftsdienstpraxis mit dem arbeiten, was er dort vorfindet. Der Bereitschaftsdienst soll nur die Zeit überbrücken, bis der Patient am nächsten Werktag in einer Vertragsarztpraxis versorgt werden kann - schwere Fälle sind vom Bereitschaftsdienstarzt direkt an ein Krankenhaus zu verweisen, um sich seinerseits nicht haftbar zu machen.
SG Marburg, Urt. v. 20.07.2020 – S 11 KA 279/20 ER
800.000 € Schmerzensgeld nach absolut vermeidbaren Behandlungsfehlern mehr...
Im Urteilsfall stritten die Parteien um Schmerzensgeld infolge ärztlicher Behandlungsfehler. Das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) entschied zugunsten des geschädigten Patienten, der aufgrund gravierender und vor allem absolut vermeidbarer Behandlungsfehler mit lebenslangen physischen und psychischen Folgen zu kämpfen haben wird.
Der seinerzeit fünfjährige Patient landete mit Fieber und Schüttelfrost im beklagten Krankenhaus. Erst am Morgen des Folgetages wurden die Behandler aus Anlass eines Schichtwechsels auf großflächige dunkle Flecken im Gesicht und am Körper des Jungen aufmerksam, die sie zutreffend als hämorrhagische Nekrosen in Folge einer Meningokokkensepsis einordneten. Zu diesem Zeitpunkt war der Junge allerdings bereits seit mehreren Stunden somnolent, weil der zuständige Pfleger die Hinweise der Mutter auf die Hautverfärbungen ignoriert und keinen Arzt hinzugezogen hatte. Statt die Ohnmacht des Jungen zu erkennen, wähnte der Pfleger diesen schlafend und hatte in der Folge darauf verzichtet, eine Braunüle wieder anzulegen, die sich der Junge im Schlaf gezogen hatte. Dies führte dazu, dass dem dehydrierten Jungen über Stunden keine Flüssigkeit mehr zugeführt wurde.
Die mehrwöchige lebensrettende Akutversorgung war für den Jungen folgenschwer. Er verlor beide Unterschenkel und ist seitdem auf den Rollstuhl angewiesen. Die Stümpfe müssen aufgrund seines Körperwachstums regelmäßig operativ revidiert werden. Große Teile der Körperoberfläche sind durch Nekrosen dauerhaft entstellt. Der Junge musste deshalb für dreieinhalb Jahre einen Ganzkörperkompressionsanzug mit Gesichtsmaske für täglich 22,5 Stunden tragen - und darin auch seine Schulbesuche absolvieren.
Nach Ansicht des OLG stellte das vorinstanzliche Landgericht Aurich hier zu Recht grobe Behandlungsfehler fest, was auch die Schmerzensgeldhöhe von 800.000 € rechtfertige. Das Bewusstsein um den Verlust der bisherigen Lebensqualität und die voraussichtlich lebenslange Dauer der Schädigungen waren hier die ausschlaggebenden Gesichtspunkte bei der Bemessung des Schmerzensgeldes.
Hinweis: Diese Entscheidung, die aufgrund der Höhe des Schmerzensgeldes Beachtung in Presse und Fachkreisen fand, ist deshalb bemerkenswert, da sie sich mit der Art der Bemessung von Schmerzensgeld und den zugrundeliegenden Parametern für die Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes befasst.
OLG Oldenburg, Urt. v. 18.03.2020 – 5 U 196/18
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